Mai 2013

ZulassungsgEBAstel

Alle meckern, doch wer ist schuld?

 

Die Abkürzung EBA ist mittlerweile sogar in den Nachrichten und Nachrichtenmagazinen der Bundesrepublik angekommen. Und sie hat sich dort festgefressen. Auf Nimmerwiedersehen! Auf ewig wird das EBA als die Instanz in die Geschichte eingehen, die funktionierenden Nah-, Fern- und Güterverkehr immer wieder unmöglich gemacht und damit den Fahrgästen und auch der Volkswirtschaft unabänderlichen Schaden beigebracht hat.

Das große böse EBA, das Medien und Politik gerne als sprichwörtlichen Teufel an Wände malen, existiert in dieser Form nicht. Das EBA ist eine winzige Prüfstelle, quasi der TÜV der Eisenbahn. Wenn man allerdings sein Auto "über den TÜV" bringen möchte, kann man auch zu autorisierten Fachwerkstätten gehen. Neue Züge dürfen nur durch das EBA getestet und zugelassen werden. Ansonsten dürfen sie auf deutschen Schienen nicht verkehren.

Eine durchaus sinnvolle Einrichtung, denn man mag sich gar nicht ausmalen, was geschähe, wenn jeder halbherzig zusammengeschraubte Zug (bei dem der klamme Geldbeutel Baumeister war) ohne weitere Überprüfungen dem regulären Verkehr übergeben würde. Der Unglücks-ICE von Eschede war zugelassen. Jede Berliner S-Bahn ist zugelassen, jeder Regionalzug. Und doch kommt es immer wieder zu Unfällen. Es wirkt widersinnig, wenn behauptet wird, die Zulassungsbestimmungen wären zu streng.

Sie sind es nicht. Das eigentliche Problem liegt an einer anderen Stelle. Die Aufgaben des EBA müssen von speziell ausgebildeten Sachverständigen erfüllt werden. Davon gibt es leider nicht allzu viele. Und jeder hat Züge zuzulassen. Nehmen wir als Beispiel doch mal den "Velaro D" den neuen ICE, der bereits seit mehr als einem Jahr auf seine endgültige Zulassung wartet.

Dieser Zug wird von Siemens gebaut. Und laut Vertrag hat Siemens einen funktionsfähigen und zugelassenen Zug zu liefern. Dies zu bescheinigen ist Aufgabe des EBA. Der neue ICE wird also vorgeführt, von Sachverständigen unter die Lupe genommen und im Idealfall für funktionstüchtig und sicher erklärt und damit zugelassen. Im Fall Velaro D ist der Idealfall nicht eingetreten. Warum?

Ein Grund ist die Bremsanlage des Zuges. Diese läuft nicht mehr wie früher über Bremsgestänge oder -Zylnder, vielmehr ist dieser (pneumatischen) Bremsanlage ein Computer vorgeschaltet, der die effizientest-mögliche Art und Weise des Abbremsens berechnet (oder: berechnen soll). In hohen Geschwindigkeitsbereichen bremst ein ICE außerdem rein elektrisch.

Auch eine Software braucht Zeit, um ihre Aufgaben zu erfüllen, man merkt das am eigenen PC. Das Laden einer Internetseite kann einige Sekunden dauern und auch komplizierte Rechenaufgaben benötigen eine gewisse Zeit, bis sie erledigt sind. All das sind keine neuen Informationen. Problematisch wird es erst, wenn man erfährt, dass die Bremsanlage des Velaro D keinerlei Leistung zeigt, bis der komplette Bremsvorgang durchgerechnet ist, vorher tritt keinerlei Bremswirkung ein. Für den Laien wirkt der Bremsvorgang allerdings durchaus stringent und man kann die jeweiligen Fahrer dazu schulen, die Bremsung eine Sekunde eher einzuleiten. Das an sich wäre kein Skandal.

Das einzige Problem liegt im Potenziellen. Im Falle eines (Not-)Falles kann bereits eine Sekunde Verzögerung über Leben oder Tod entscheiden. Und der öffentliche Aufschrei wäre groß, wenn bekannt würde, dass die Unwägbarkeiten der Bremsanlage vorher bekannt waren. In einen Notfall kann man keinerlei Toleranzen einbauen. Bei 300 km/h legt ein ICE in einer Sekunde 83 Meter zurück. Das ist kein Pappenstiel.

Man kann also nachvollziehen, dass das EBA einen besonderen Blick auf diese Bremsanlagen wirft. Und wenn Siemens nicht imstande ist, die Fehler zu korrigieren, dann liegt die Verantwortung für zu spät gelieferte Züge beim Lieferanten, der sein Fach nicht ausreichend beherrscht, als dass er Hochgeschwindigkeitszüge (zugegebenermaßen vollgestopft mit moderner Technologie) bauen könnte. Man kann sich schon auf den ICX, den Nachvolger des Intercity freuen, denn auch die Triebwagen werden von Siemens gebaut.

Anderes Beispiel: Die neuen S-Bahn-Triebwagen der Baureihe 430 für Stuttgart. Die Bahn beschwerte sich in diesem Fall, dass die Triebwagen nicht rechtzeitig zum Fahrplanwechsel im vergangenen Dezember zur Verfügung standen (glücklicherweise werden die Züge bindend erst ab Juli benötigt). Schuld sei das EBA. Dort gibt man sich gerne wortkarg, in diesem Fall legte man allerdings offen, dass man Unterlagen erst gut drei Wochen nach (sic!) dem Fahrplanwechsel erhalten habe. Des Weiteren laufe ein derartiges Verfahren stets in bis zu vier Monaten ab und man ließe sich nicht unter Druck setzen. Wer benötigte Daten zu spät einreicht, ist selbst Schuld.

Es ist nicht so, dass das EBA keine Schuld träfe, viele Dinge würden vermutlich reibungsloser ablaufen, wenn es genügend Prüfer gäbe. Da stellt sich doch die Frage, wer diese bezahlen müsste.

Wenn man die Abkürzung EBA ausschreibt, so lautet sie Eisenbahn-Bundesamt. Oberster Dienstherr ist folglich der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, derzeit Peter Ramsauer (CSU). Wer die Debatte über das EBA verfolgt hat, spitzt hier die Ohren: Ramsauer ist einer der schärfsten Kritiker des EBA. Dabei ist er direkt mehrfach in der Bredouille: Einerseits steht er an oberster Spitze des EBA, andererseits ist auch die DB noch immer (über ihre Aktien) mehrheitlich in Hand des Bundes. Der Bundesverkehrsminister ist die geborene Vermittlungsinstanz. Doch Peter Ramsauer nutzt diese Möglichkeit nicht. Viel lieber schlägt er auf das am Boden liegende EBA ein. Und damit auf sich selbst.

Denn wenn Ramsauer sagen würde: "Das EBA ist schlecht organisiert", so sagte er eigentlich: "Ich habe nicht dafür gesorgt, dass anständige Organisationsformen eingeführt werden."

Würde Ramsauer sagen: "Das EBA verhindert einen funktionierenden Bahnverkehr", so sagte er eigentlich: "Ich verhindere durch die blinde Sparwut, der ich als Politiker der aktuellen Regierun unterworfen bin, die nötigen personellen Ausweitungen des EBA und damit einen funktionierenden Bahnverkehr."

Und würde Ramsauer sagen: "Das EBA in seiner heutigen Form ist gescheitert", so sagte er eigentlich: "Ich bin gescheitert, denn ich hätte die Möglichkeiten, etwas an der Situation zu ändern."

In der Öffentlichkeit ist diese Verquickung von Verkehrsminister und EBA kaum bekannt, findet höchstens ansatzweise den Weg in die Satire, schon gar nicht in die großen Abendnachrichten.

Dabei wäre es Zeit, der Bevölkerung zu zeigen, dass es mindestens einen Bundesminister in Deutschland gibt, der sich mit den ihm untergebenen Ämtern nicht auskennt und der sich damit selbst demontiert. Schade, dass diese Erkenntnis noch nicht gefunden wurde.


Nach Redaktionsschluss: Nach der Vollendung dieser Kolumne wurde bekannt, dass Peter Ramsauer den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert anrief und sich über die an ihn gerichteten sogenannten kleinen Anfragen der SPD-Fraktion mit jeweils mehr als 100 Fragen beschwerte. Laut "Der SPIEGEL" 22/2013 antwortete Lammert: "Die Bundesregierung [ist] grundsätzlich zur inhaltlichen Beantwortung parlamentarischer Anfragen verfassungsrechtlich verpflichtet". Es zeigt sich hier, dass Peter Ramsauer nicht nur in Sachen Organisationsstrukturen von Zulassungsbehörden Nachhilfe benötigt, sondern auch in Sachen Demokratie und Parlamentarismus.

Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden