August 2013
PERSONALPROBELEMEDer Bahn fehlt Personal - der Krankenstand ist zu hoch. Pech oder selbstgemachtes Unglück?
Seit einiger Zeit gibt es Ärger in Mainz, großen Ärger. Im Stellwerk fehlen Fahrdienstleiter, weil einige von ihnen die Frechheit an den Tag legten, ausgerechnet in der Urlaubszeit krank zu werden.
Damit kann man als Arbeitgeber aber auch einfach nicht rechnen. Und Abhilfe ist nicht in Sicht.
Ich bin dabei nicht einmal so weltfremd zu glauben, man könnte Fahrdienstleiter von anderen Stellwerken einfach nach Mainz umsetzen. Aber dazu später mehr. Was ist da eigentlich los in Mainz?
Zumindestens nachts äußerst wenig: Fernzüge werden an der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt vorbeigeleitet, auch im Regionalverkehr fallen etliche Verbindungen aus. Ab dem 12.August war zudem angekündigt, dass auch tagsüber Fahrten ausfallen sollen.
Der Grund für diese Probleme liegt im Stellwerk, oder viel mehr: In der dünnen Personaldecke. Neben den im Urlaub befindlichen Stellwerkern sind nun auch noch einige erkrankt, sodass nur noch weniger als die Hälfte der Fahrdienstleiter verfügbar sind. Mit den oben genannten Folgen.
Wie kann so etwas passieren? Hatte die Bahn einfach Pech?
Nicht nur. Zu wenig Personal ist natürlich ärgerlich, vor allen Dingen für die Fahrgäste. Die ganze Problematik bekommt aber eine andere Qualität, wenn man die Peronalpolitik der DB in die Überlegungen miteinbezieht:
Die baut immer mehr Personal ab und lässt die vorhandenen Fahrdiensleiter im Gegenzug Überstunden schieben und das seit Jahren. Vor dem Hintergrund erscheint es am ehesten noch verwunderlich, dass die Quittung noch nicht eher ausgestellt wurde.
Fahrdientleiter muss ein extrem anstrengender Job sein; nicht köperlich, aber mental. Denn man hat die Verantwortung für den gesamten Bahnverkehr in der Region, eine falsche Handlung kann Menschenleben kosten.
Pikantes Detail am Rande: Ausgerechnet in Mainz stießen Anfang August um ein Haar zwei S-Bahn-Züge zusammen, als beide zum Stehen kamen, waren sie gerade noch rund 1,5 Meter voneinander entfernt. Die Bahn kommunizierte den Zwischenfall zunächst nicht, Die Onlineausgabe der FR berichtete allerdings - inklusive Foto.
Aber zurück zum Thema: Nicht jeder ist in der Lage, die Verantwortung zu übernehmen, die ein Fahrdienstleiter zu tragen hat, außerdem braucht es eine kleine Ewigkeit, um jemanden auf einem Stellwerk einzuarbeiten, im Fall Mainz war in den Medien von sechs Wochen die Rede.
Es wird vor diesem Hintergrund deutlich, dass man Personalprobleme in Stellwerken nicht kurzfristig durch Versetzungen oder eilig angesetzte Umschulungen können hier nicht helfen.
Der einzige Weg heraus aus diesem Dilemma ist ein langfristiger: Die Personaldecke muss erhöht werden, wem nützt es denn, wenn weniger Fahrdienstleiter Überstunden schieben und daher irgendwann psychisch oder physisch am Ende sind und sich krankschreiben lassen?
Richtig, der DB-Bilanz und der auch nur kurzfristig.
Der falschestmögliche Weg ist an dieser Stelle natürlich, die verreisten Stellwerker aus dem wohlverdienten Urlaub zurückzuholen, um sie noch mehr Überstunden anhäufen zu lassen. Aber - man kennt seinen Mobilitätsdientleister ja - genau das wird gefordert. Natürlich zunächst nicht vom Bahnchef sondern vom Aufsichtsratmitglied Patrick Döring, nebenbei auch FDP-Generalsekretär, im inoffiziellen Regierungssprachrohr "Bild am Sonntag".
Die Bahn zog offiziell nach. Noch am selben Tag, nachdem die EVG die Pläne schon als "Schäbig" bezeichnet hatte. Es gehört schon Chuzpe dazu, seinen Mitarbeitern derart viel abzuverlangen und ihnen nahzulegen, ihren Urlaub abzubrechen. Ganz unabhängig davon, dass mir bislang noch schleierhaft ist, wann sie denn dann die ganzen Überstunden abbauen sollen...
Es ist doch schon beachtenswert, was sich die DB alles einfallen lässt, um ihre Gewinnziele zu ereichen, fraglich ist indes, wer als erstes darauf kommt, dass ein Grundrecht auf Anschluss an den bundesdeutschen Fernverkehr im Grundfesetz verankert ist.
Bisland wettterte ein EVG-Vertreter in der Tagesschau zumindest schonmal - pflichtschuldig und durchaus berechtigt - gegen die "Zwangsdividende". Denn auch diese dürfte eine Mitschuld tragen. Einzig und allein als Wahlkampdthema scheint die Mainzer Fernverkehrsabkopplung bislang noch nicht zu taugen. Mal sehen, ob sich diese Ansicht in den nächsten Tagen noch ändert.
Vielleicht passiert das sogar in Ansätzen schon, allerdings anders als vermutet: Rainer Brüderle ist der Ansicht, die Bahn mache sich "international lächerlich". Über die Gründe macht er sich keine Gedanken.
Die DB hat inzwischen bestätigt, dass der Produktionsvorstand von DB Netz, Hansjörg Hess, abgelöst werden soll. Was der Produktionsvorstand allerdings mit der Personalpolitik zu tun hat, möge die Bahn mir noch mal erklären.